A big harvest – eine große Ernte

Auch in diesem Jahr habe ich wieder am Zhenwu Traingscamp teilgenommen. Nachdem ich nun knapp zwei Wochen wieder im Lande bin, ist es Zeit ein kurzes Resümee über die vergangenen Wochen in Portugal zu ziehen.

Parque da Cidade

Eigentlich hatte ich vor, nur alle zwei Jahre zu dem in Beijing stattfindenden Trainingscamp zu Reisen. Ich wollte es meiner Frau nicht zumuten jedes Jahr auf zwei Wochen des Urlaubs mit mir verzichten zu müssen. Aber ein glücklicher finanzieller Umstand und das Verständnis meiner Frau für meine Trainingsambitionen haben es mir auch in diesem Jahr wieder ermöglicht an dem Trainingscamp teil zu nehmen.

Ich war skeptisch, ob sich ein Traingscamp wie im letzten Jahr in Beijing wiederholen lassen würde. Zugegeben China und die Stadt Beijing machen schon einen Großteil des Flairs des Trainingscamps aus. Aber wie so oft im Leben kam es auch diesmal wieder anders.

Voraussetzung für die Teilnahme war in diesem Jahr für mich auch wieder die Teilnahme an einem BaGua Zhang Lehrgang. Diesmal hatte ich das Glück bei Sun Ruxian Laoshi die Basis des BaGua im Cheng Stil lernen zu dürfen. Im Vorfeld des Trainingscamps erhielt ich eine Nachricht von Rosa Mei, das Sun Ruxian Laoshi der Meinung wäre, das mich aufgrund meiner Vorkenntnisse vom Training bei Xu Shi Xi Laoshi vom Vorjahr „a big harvest“ (eine große Ernte) erwarten würde.

Nun Sun Ruxian Laoshi ist für seine blumige Ausdrucksweise bekannt – und bei Übersetzern gefürchtet. Rosa versuchte das für mich mit „rigorous and enlightening“ (Hart und Aufschlussreich) zu übersetzen. Sie wusste ja nicht wie Recht Sun Ruxian Laoshi mit seinem Ausdruck hatte.

Nun in Porto angekommen stellte sich das Hotel Star Inn als gepflegtes Budgethotel heraus, das wohl durch seinen Qualität aber nicht durch seine Lage punkten konnte.

Dies wurde auch von den Organisatoren so gesehen. Somit wurde der morgendliche Qi Gong Termin kurzerhand auf „nach dem Frühstück“ verlegt. Womit wir dann von 9:30 bis ca. 19:00 Uhr täglich mit Training im Parque da Cidade verbrachten. Sollte es einen solchen Park auch einmal in Deutschland geben, würde ich wahrscheinlich meinen ganzen Tag dort verbringen. Unglaublich schöne Ambiente und dazu noch super gepflegte, kostenlose Toilettenanlagen zu denen sogar die Benutzung einer kostenfreien Dusche gehörte.

Nach dem morgendlichen, gemeinsamen Qi Gong, das jeweils von unterschiedlichen Lehrern angeleitet wurde, teilten sich nach einer kurzen Pause die ersten Gruppen zum Tai Chi oder Push Hands. Ich habe diesmal bei Alex Cheng Laoshi das Push Hands Training besucht. Während der ganzen Tage ging Alex Cheng Laoshi mit großer Sorgfalt auf die Defizite der einzelnen Teilnehmer ein. Jeder sollte das Gefühl von Struktur und Rooting mitbekommen. In den späteren Tagen lehrt er dann auf einzelne Techniken, wie Anlehnen, Ziehen usw. Leider konnte ich aufgrund meines mittendrin beginnenden BaGua Lehrgangs nicht alle Techniken mitnehmen. So fehlt mir zum Beispiel „Fliegen“ aber darüber kann Euch Marvin aus dem Osnabrücker Bailung e. V. sicherlich mehr erzählen.

Sun Ruxian Laoshi Laoshi und ich

Das nun folgende BaGua Zhang Training wurde nur durch die zwei stündige Mittagspause unterbrochen. Obwohl das gesamte Trainingscamp unter dem Motto der Partneranwendungen stand, verwand Sun Ruxian Laoshi zu beginn der ersten Unterrichtsstunden viel Zeit darauf uns die Grundbegriffe und -konzepte des BaGua Zhang beizubringen. So begannen wir mit vielen Grundtechniken, BaGua Qi Gong und den Ba Shi, den 8 Grundtechniken des Cheng Stil BaGua.

Sun Ruxian Laoshi wurde nicht müde zu betonen, das wir nicht alles behalten mussten. Es würde schon reichen, wenn wir drei Techniken mit nach Hause nehmen und diese ordentlich üben.

Wie recht sollte er haben… Denn nun kamen die Ba Da Dan. Die „8 Changing Palms“ – leider kenne ich hierfür keinen guten deutschen Ausdruck. 8 kleine Sets, die auf Links wie auf Rechts beim „im Kreis gehen“ ausgeführt wurden. Fand ich damals die Ba Da Dan des Yin BaGua schon schwierig, diese waren wirklich komplex. Aber wunderschön…

Kreise im Park

Yin BaGua vs. Cheng BaGua – ich wurde öfter gefragt, wo ich denn den Unterschied zwischen den beiden Stilen sehen würde. Ich?… ich hatte doch grade mal vor einem Jahr mit Yin BaGua angefangen. Es gibt Unterschiede, wobei diese wahrscheinlich mehr in der Unterrichtsmethode der einzelnen Lehrer liegen. Während Xu Shi Xi Laoshi in seinem Unterricht sehr viel Augenmerk auf die Möglichkeiten der Anwendungen der einzelnen Techniken legte, nahm Sun Ruxian Laoshi sich die Zeit uns bei jeder Technik auf die Struktur und auf das Energielevel hinzuweisen. Ein perfekter Anschluss an die Push Hands Übungen vom Morgen, wie ich später feststellte.

Auf den ersten Blick unterscheiden sich beide Stile ihrer Ausführung. Ich fand der Yin Stil wirkte im Vergleich eher „Crisp“, schneller, direkter in der Anwendung. Der Cheng Stil wirkte im ganzen aber komplexer, runder. Sun Ruxian Laoshi wies auf die Unterschiede hin: der Yin Stil wurde von einem Schüler Dong Hei Chuans entwickelt, dessen Wurzeln im Shaolin Kung Fu zu finden sind. Der Cheng Stil wurde von einem Schüler entwickelt, dessen Wurzeln im chinesischen Wrestling – dem Shuaijiao – zu finden sind. Ich denke das kann man schon erkennen. Aber wie gesagt… Meinung von einem, der grade mal an der Oberfläche gekratzt hat.

Qi Li Bang mit Zhang Xinbin Laoshi

Gegen Abend wurde es dann noch einmal richtig anstrengend schön. Die letzten 1½ Std. waren für das Waffentraining reserviert. Ich hatte das große Glück an der Qi Li Bang – einer Kurzstockform aus dem Tong Bei unter der Anleitung von Zhang Xinbin Laoshi teil zu nehmen. Zusätzlich gab es noch einen Lehrgang in Mia Dao und einen Langstocklehrgang. Lustigerweise hatte ich 1.) mir bei einer Fehlbestellung vor fast einem Jahr zwei Kurzstöcker gekauft, die seit der Zeit bei mir nutzlos herumstanden, 2.) seit langem schon Lust etwas mit einem Stock zu machen.

Also kam mir der Lehrgang sehr gelegen. Schon bei den ersten Techniken konnte man meiner Meinung nach die Grundlagen aus dem Tong Bei erkennen. Nun, ich kenne bisher keine andere Kurzstockform, von daher kann ich nicht genau sagen ob nicht viele der Techniken auch in anderen Stilen Anwendung finden. Zumindest habe ich nach dem Portugalcamp im Park in Hannover eine Aikidogruppe gesehen, die ähnliche Techniken bei Ihrem Kurzstock verwendet hat.
In der Form gab es dann auch einen kleinen Part, dessen Schrittfolge an das zuvor geübte BaGua erinnerte.

Von daher fügte sich alles ähnlich einem großes Puzzle zusammen. Nun.. es gäbe noch eine Menge zu erzählen, über die Sunsettrainings, die netten Abende zusammen mit all den Kampfkunstenthusiasten aus Belgien, Deutschland, Niederlande, USA, usw. Freie Tage mit Ausflügen nach Porto, und… Portwein natürlich. Aber hierbei sollte es mal nur um das Training und meine Erfahrungen gehen.

Ich kann also wirklich sagen, das das Trainingscamp eine reiche Ernte für mich eingebracht hat. Nun liegt es an mir diese Ernte zu verwerten, weiter zu verarbeiten. Eine Menge Eindrücke, die ich bei meinen zukünftigen Trainingseinheiten im Park einfließen lassen kann. Bis vielleicht zum nächsten Jahr… .

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