Systema

Jan Bloem und ich

Jan Bloem und ich

Vor einigen Wochen bekam ich durch einen Facebookeintrag mit, das mein Bagua Lehrer Carsten Stausberg sich zu einem Systema Einführungsseminar in Groningen bei Jan Bloem angemeldet hatte. Jan Bloem war mir bisher noch kein Begriff, da ich aber die Qualität der Seminare bei Carsten sehr schätze, konnte ich wohl davon ausgehen, das er sich für einen Seminarbesuch einen entsprechend hoch qualifizierten Lehrer aussuchen würde.

Durch Videos auf YouTube und verschiedene Beiträge aus dem Kampfkunstbereich war ich schon vor einiger Zeit auf die russische Kampfkunst Systema aufmerksam geworden. Viele der Konzepte, die ich da sah schienen mir aus den traditionellen Kampfkünsten bekannt zu sein. Bisher hatte ich diese aber noch nicht in so konsequenter Kampfausprägung angewendet gesehen. Dazu kamen noch einige zugegebenermaßen leicht verstörende Videos von Systema trainierenden, die sich in schlaksigen, schlängelnden Bewegungen fortbewegten.

Da hier nun die Möglichkeit bestand einmal Systema persönlich kennen zu lernen, meldete ich mich kurzerhand auch zu dem 3,5 stündigen Seminar in Groningen an.

Das gesamte Seminar stand unter dem Oberthema „Maximal Effect, Minimal Effort“ – eine Aussage, die von den unterschiedlichsten Kampfkünsten als Thema für Workshops immer wieder gerne genommen wird.

Ab 13:00 fanden sich gut 20 Teilnehmer – überwiegend Niederländer und Belgier und … ach ja zwei deutsche – in der Halle ein. Jan Bloem begann sogleich damit den groben Plan und Ablauf für die nächsten Stunden zu skizzieren. Nicht ohne auch darauf hinzuweisen, das dies eben nur ein grober Plan wäre und das jeder, der ihn kennt, weiß das so ein Seminar am Ende auch mal ein ungeplanten Ablauf nehme könne. Dies, so betonte er, liegt daran das er im weiteren Verlauf des Seminar dieses ganz an den Fortschritten und Fertigkeiten der Teilnehmer orientiert.

Am Anfang bat Jan Bloem uns, das wir uns wieder in unsere frühe Kindheit zurückversetzten. So lagen wir alle auf dem Rücken und begannen uns vom Bauchnabel her zu bewegen. Nach und nach wurden die Bewegungen größer, bis wir ohne Zuhilfenahme der Hände uns auf die Seite rollen konnten. Weitere Bewegungen kamen nun hinzu, wie z. B. Krabbeln, Vorwärtsrollen und Rückwärtsrollen. Was nun ziemlich kindisch wirken mag, wenn man diese Zeilen liest, wurde durch Jan Bloem ausführlich mit Erläuterungen begleitet.

So wurden wir dazu angehalten, bei den ersten Bewegungen zu achten wo sich im Körper etwas bewegt, wenn wir etwas bewegen. Zu jeder Muskelanspannung gehört auch eine mit dieser Bewegung einhergehende Muskelentspannung. Ein Prinzip, das wir uns im weiteren Verlauf noch zu nutze machen sollten.

Das Rollen, Krabbeln, Drehen und Bewegen wurde nun in flüssiger, nicht enden wollenden, freien Zusammenstellung kombiniert. Um den Schwierigkeitsgrad noch ein wenig zu erhöhen versuchten wir die ganzen Bewegungen am Boden in einer Art freien Zweikampf auszuführen. Hier kam es vorrangig darauf an den Fluss der Bewegungen nicht abbrechen zu lassen. Was sich wie ein nettes Spiel liest kann sich zu einem ziemlich anstrengenden Ganzkörper Workout ausweiten.

Bei dieser Übung wies Jan Bloem auf eine sehr gute deutsche Trainingsmethode mit dem Namen „Fehlerkorrektur“ hin. Wem wie mir bis dato diese Trainingsmethode noch nicht bekannt sein sollte, für den folgt nun die Erklärung:

Es geht dabei darum auch bei Fehlern nicht den Fluss abzubrechen und wieder von vorne zu beginnen. Der Körper merkt sich so den Fehler. Wir aber wollen diesen aber nicht mehr machen. Also bleibt man in der Bewegung und stellt einfach fest, das wohl etwas nicht funktioniert hat und macht es eben hoffentlich das nächste mal besser.

Langsam begannen wir nun zum Stehen zu kommen. Natürlich aus dem Liegen heraus, ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen und natürlich mit „minimal effort“. So konnten wir nun mit den ersten Partnertechniken beginnen.

Die erste Übung basierte darauf das einer das Handgelenk des anderen mit seiner offenen Hand herunterdrückt. Der so in Bedrängnis gebrachte hatte nun die Aufgabe den Kontakt und die Aufmerksamkeit seines Gegenübers auf diesem Punkt des Drucks zu halten, während er selbst mit seiner Struktur unter den Druckpunkt tauchte um sich so Freiheit zu verschaffen.

Für die Freunde der chinesischen Kampfkunst ein bekanntes Prinzip. Hier wies Jan Bloem mehrfach Konzepte und Prinzipien aus den chinesischen Kampfkünsten hin. Leider ist es aber so, das diese Prinzipien nur noch separiert oder oft ohne das Verständnis der Anwendung dahinter unterrichtet würden.

Doch damit endete diese Übung noch nicht. Wie oben erwähnt sind an jeder Bewegung mehrere Muskeln und Gelenke beteiligt. Es lag nun an uns herauszufinden welche dies beim Angreifer sind und diese durch einen kurzen, lockeren Schlag zu irritieren.

Apropos lockerer Schlag. Grade unter den etwas erfahreneren Teilnehmern fanden sich viele, die in der Lage waren einen äußerst schmerzhaften Schlag locker und ohne groß ersichtlichen Kraftaufwand auf dem Körper des Gegenübers zu platzieren. Etwas das häufig in Theorie in vielen Kampfkünsten thematisiert wird aber leider selten (auch bei mir) anzutreffen ist.

Den Rest des Seminars verbrachten wir mit weiteren Anwendungen, die uns einige der verschiedenen Theorien des Systema nahebrachten. Wie entkomme ich mit Hilfe des „Framings“ aus einer Umklammerung, wo baut der Gegner Struktur auf um mich zu halten, wie kann ich diese Struktur oder auch seine Aufmerksamkeit stören, um der Situation zu entkommen.

Das „Entkommen“ spielte bei Jan Bloem eine wichtige Rolle. Hatte man sich gelöst forderte er uns auf durch Weglaufen der Situation zu entkommen. Dies auch bewusst zu üben, damit wir in einem realen Anwendungsfall davon auch Gebrauch machen.

Hier merkte man meiner Meinung nach die reichhaltige Kampferfahrung von Jan Bloem. Ein Kampf den ich weiterführe birgt auch immer die Gefahr ihn zu verlieren und Schaden zu nehmen.

Ich persönlich werde bei meinem Bagua Training und der traditionellen, chinesischen Kampfkunst bleiben. Ich kann aber nur jedem empfehlen sich einmal mit Systema auseinanderzusetzen. Die Form des Systema, das wir auf dem Seminar kennenlernen durften eignet sich eher für den „closed range“ oder „short range“ wie Jan Bloem auf meine Nachfrage hin in der abschließenden Fragerunde erläuterte. Viele der Anwendungsbeispiele aus dem Systema kamen mir sehr bekannt vor aus den unterschiedlichen chinesischen Stilen, wie Tai Ji, Bagua oder Shuai Jiao. Hier nur eben direkt auf deren Anwendung „auf der Straße“ hin trainiert.

Auf diesem Wege möchte ich mich bei allen Beteiligten des Seminars für die freundliche und aufgeschlossenen Atmosphäre bedanken. Wir haben im Rahmen der Übungseinheiten immer wieder die Partner gewechselt. Dabei konnte ich feststellen, das jeder sich in Härte und Geschwindigkeit auf seinen Partner einstellte, so das das Seminar zu einem vollen Erfolg für alle Teilnehmenden werden konnte. Nicht zuletzt natürlich auch durch die freundliche und lockere Art mit der Jan Bloem dieses Seminar durchführte.

Weitere Infos zu Systema in Groningen
Systema Groningen

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