Heute nimmt man ja auch kein Schwert mit zum Supermarkt

Bei meinen Begegnungen mit verschiedenen Lehrern des traditionellen chinesischen Kampfkunst in den letzten Jahren wurde von diesen bei der Vorstellung von Techniken und Formen immer besonders viel Wert auf die Anwendbarkeit derselben gelegt. Anders als im modernen Wushu findet man in den traditionellen Formen kaum oder keine Techniken, die nur der Schönheit wegen ausgeführt werden.

Aufgrund des kampfbezogenen Hintergrundes der traditionellen Stile konnten sich über die lange Zeit nur die Techniken durchsetzten, welche im Falle einer Kampfsituation Erfolg versprachen. Teilweise geht dieser praxisbezogene Ansatz soweit, das selbst Techniken des Aufwärmtrainings einen anwendbaren Hintergrund haben. Es gibt hierfür einen recht schönen Spruch im chinesischen „Was sich nicht Anwenden lässt, sollte auch nicht trainiert werden“.

Im letzten Jahr wurde ich bei einem Speerlehrgang von Jochen Wolfgramm darauf hingewiesen wurde, das der Speer auch sehr gut dazu dienen kann die Entwicklung des „Fa Jing“ des Schülers zu erkennen. Dies und der oben erwähnte Ansatz des traditionellen Trainings hat dazu geführt,das ich angefangen habe über den Sinn des Waffentrainings in der traditionellen, chinesischen Kampfkunst nachzudenken.

Seien wir mal ehrlich: Kein Mensch geht heute noch mit einem Säbel, Schwert oder Speer zu einem Kampf. Ich kann heute einen Kampf doch wesentlich praktischer für mich entscheiden, indem ich eine Handfeuerwaffe benutze.

Wenn die traditionellen Waffen also heute eigentlich keine praktische Bedeutung mehr haben, warum hat sich dann das Training mit diesen dennoch über so viele Jahrhunderte in der traditionellen chinesischen Kampfkunst erhalten? Es muss dafür einen praktischen Grund geben.

Hier sind nun die Ergebnisse, die ich nach einigen Überlegungen und Rückfragen bei chinesischen Lehrern zusammengetragen habe.

Der Langstock

Als die vom Aufbau her „einfachste“ Waffe, denke ich stellt der Langstock für den Schüler die Möglichkeit der Entwicklung eines Verständnisses für grundlegende Bewegungsabläufe in der Kampfkunst dar. Der Stock erfordert die Beteiligung der Körpermechanik. Wird der Stock mit beiden Händen gehalten muss eine Hand zurückgenommen werden, damit die andere Hand eine kraftvolle Technik nach vorne ausführen kann. Dazu kommt die Entwicklung der Hüftmechanik. Nur eine Technik die Ihren Anfang von den Füssen über die Hüftmechanik ausgeführt wird kann die gewünschte Kraft entfalten.

Der breite Säbel

Auch beim breiten Säbel gilt das Augenmerk der Körpermechanik. Dazu kann der Säbel aber aufgrund seines Gewichtes noch mehr zur Entwicklung eines starken „Rootings“ verwendet werden. Zusätzlich fordert der breite Säbel aufgrund seines Gewichtes die Entwicklung des „Momentums“. Nur im richtigen Zusammenspiel von Beschleunigung, Gewicht und Moment kann der Säbel effektiv als Waffe eingesetzt werden.

Der Speer

Der Speer kann, wie oben erwähnt, sehr gut dazu beitragen die Entwicklung des „Fa Jing“ zu fördern bzw. zu messen. Nur ein Speer der mit der richtigen inneren Ausrichtung geführt wird kann mit seiner Speerspitze effektiv geführt werden.

Das Schwert

Das Schwert mit seiner dünnen Klinge würde bei einer Verwendung, wie man es von einem Säbel kennt, unweigerlich im Kampf zerbrechen und nutzlos werden. Es stellt neue Anforderungen an den Schüler. Ähnlich wie im Tai Chi erfordert die Führung des Schwertes ein „kleben“ am Gegner. Ein Erkennen der Absicht des Gegners. Ohne inneres Kung Fu sind Schwertechniken nutzlos und leicht zu überwältigen.

 

Somit steht nach meiner Meinung die Verbesserung des „Rootings“, „Alignments“, „Momentums“ und somit die Verbesserung der waffenlosen Techniken beim Training mit den Waffen im Vordergrund. Wohl der Grund warum sich die Waffen in der traditionellen chinesischen Kampfkunst – ob ihrer heutigen „Nutzlosigkeit“ – über so viele Jahrhunderte erhalten haben.

Es gibt sicherlich noch mehr Aspekte die Euch einfallen, wenn Ihr über die Verwendung der Waffen in der traditionellen Kampfkunst nachdenkt. Ein Aspekt, den ich immer recht reizvoll fand war die Adaption der Waffen auf Alltagsgegenstände. Von daher gilt für mich derzeit der Stock noch als praktischste Waffe.

Natürlich spielt sicherlich auch die Entwicklung von Kraft dabei eine Rolle. Es macht ja doch mehr Spaß mit einem Säbel zu üben, als Hanteln zu stemmen. Ich denke auch darum sollte es neben der Selbstentwicklung beim Waffentraining gehen. Es macht einfach Spaß.

Es gibt neben den oben genannten Waffen natürlich noch weit mehr in der traditionellen chinesischen Kampfkunst. Drei Glieder Stab, Doppelmesser, Hämmer, Harken, Spaten, Meteorhammer, Kettenpeitsche und so weiter. Ich habe mich hier aber nur auf die beschränkt, mit denen ich schon einige Erfahrungen gesammelt habe.

Ich möchte mich auf diesem Wege noch bei denen Bedanken, die mich zum schreiben dieses Artikels bewegt haben.

Laoshi Jochen Wolfgramm, der mich durch sein Training auf die Idee gebracht hat und der mir bei meinen Fragen gerne geholfen hat.

Laoshi Huai Hsiang Wang, der so nett war auf meine Fragen lang und ausführlich per E-Mail zu antworten.

Laoshi Xu Shi Xi, der mir gezeigt hat, das man das Wesen der Waffe erkennen muss und dann alles zu einer Waffe machen kann. Selbst ein hartgekochtes Ei.

 

 

 

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