Zwei Tage mit Tim Cartmell

Tim Cartmell Seminar in Köln

Übungssituation des Seminars

Ich habe nun schon seit einigen Jahren das Buch „Effortless Combat Throws“ von Tim Cartmell in meiner Bibliothek. Es gehört für mich zu den Standardwerken, die eigentlich in keinem Bücherschrank fehlen dürfen. Das Buch besticht durch seine detaillierte Ausarbeitung und genaue Analyse der verschiedenen Wurftechniken. Wie es aber leider bei diesen Büchern aus dem Kampfkunstbereich oft ist, können sie eigentlich nur als Begleitmaterial zu einem Unterricht genutzt werden.

Ich selbst war jedes mal von der schieren Menge der Informationen in dem Buch überwältigt und so lag es nach einigen erfolglosen Versuchen mich theoretisch mit der Materie zu beschäftigen ungenutzt herum.

Wie schön das Carsten Stausberg vom der Yizong Bagua Deutschland in diesem in diesem Jahr Tim Cartmell dazu bewegen konnte über die zwei Tage des letzten Wochenendes in Köln zu unterrichten.

Für mich ein willkommener Anlass nach meinem ersten Treffen mit diesem Ausnahmekampfkünstler im Mai 2013 in Paris an einem weiteren Seminar mit Tim Cartmell teil zu nehmen.

Der erste Tag begann mit Übungen zur Struktur. Nach jeder einzelnen Sequenz in der wir vom WuJi (Aufwandsloses Stehen) bis zum Erkennen und Halten der Struktur in der Bewegung gingen, folgte das „Testen“ mit einem Partner.

Tim Cartmell betonte hierbei wie wichtig für alle Techniken und Anwendungen die Struktur und der „Frame“ seien. Dachte ich noch am Anfang das er mit Struktur und „Frame“ eigentlich das selbe meinte, wurde mir doch bald klar, das er mit „Frame“ den Bewegungsbereich titulierte, innerhalb dessen ich mich sicher durch das aufrechterhalten meiner Struktur bewegen kann.

Zur Einführung in die ersten Würfe erklärte Tim Cartmell an diesem Tag, nach welchem Konzept er sein Buch aufgebaut hatte. Durch seine jahrelange Erfahrung mit verschiedensten Kampfkünsten war ihm aufgefallen das diese oft zur Einteilung der Würfe unterschiedliche Herangehensweisen hatten. Einteilungen die oft auf der Sichtweise des Werfenden beruhen. Dadurch hatten viele Würfe, die in Ihrer Ausführung gleich oder ähnlich sind in verschiedenen Stilen unterschiedliche Namen.

Er hatte nun begonnen zu schauen, was die einzelnen Würfe mit dem machen, der geworfen wird. Dabei kam er zu dem Schluss, das eigentlich alle Würfe in drei Kategorien eingeteilt werden können.

Bogen – Beschreibt der geworfenen einen Bogen, wenn er zu Boden geht
Kreisförmig – Beschreibt der geworfenen eine Kreisform, wenn er zu Boden geht
Sprialförmig – Wird der Geworfene in einer spiralförmigen Bewegung zu Boden geführt.

Zudem stellte Tim Cartmell noch heraus, wie wichtig das Erkennen der schwachen Winkel des Gegners ist. Das erstaunliche daran – so führte er dabei aus – das meist von allen 360 verfügbaren Winkeln die meisten Menschen instinktiv den einen heraussuchen der eben nicht funktioniert. Der Eine in dem Kraft auf Kraft antwortet. Das aber nur eine kleine Winkeländerung notwendig ist um einen der 359 verfügbaren, funktionierenden Winkel oder Möglichkeiten nutzen zu können.
So begannen wir dann in der zweiten Hälfte des ersten Tages uns mit diesem Konzept auseinander zu setzen.

Sehr schön didaktisch aufgebaut begannen wir einen spiralförmigen Wurf aus verschiedenen Distanzen auszuführen. Von Weit über Nah bis hin zu der Situation in der man direkt mit dem Gegner in einer sehr engen Distanz ähnlich wie im Wrestling steht.
Für mich hätten diese Würfe früher alle unterschiedlich ausgesehen. Aber mit der vorangegangenen Erklärung konnte ich mich diesmal sehr schnell auf die einzelnen Anwendungen konzentrieren.

Tim Cartmell führte neben den eigentlichen Anwendungen auch viel zur Kampftheorie und Kampfkunstgeschichte an diesen Tagen aus.
Dabei stellte er heraus, warum die Wurftechniken einen solch hohen Stellenwert in den Kampfkünsten haben.

Betrachtet man einmal einen Boxkampf kommt es unweigerlich nach kurzer Zeit zum „Clinch“ – dem gegenseitigen Umklammern der beiden Kontrahenten. Eine Aktion, die man auch bei Kämpfen „auf der Straße“ immer wieder beobachten kann. Dies war sicherlich auch allen Kampfkünstlern der Vergangenheit aufgefallen und es mussten Lösungen für diese „Pattsituation“ her.

Der zweite Tag begann ach einer kurzen Rückschau über das gelernt des Vortages mit einem kurzen Exkurs in Übungen zum Bodenkampf. Diese Übungen dienten besonders zum Aufbau von „Corekraft“. Grade die beiden Übungen, bei denen ich vor zwei Jahren in Paris so gnadenlos in Kraft und Koordination versagt hatte, liefen in diesem Jahr sehr viel besser und das obwohl ich diese bisher nicht weiter geübt hatte.

Den Rests des Tages arbeiteten wir nun daran die ersten drei Würfe des Vortages weiter auszubauen.

Was mache ich, wenn der Eingang zum Wurf nicht funktioniert hat, welche Optionen bleiben mir? Was mache ich wenn mein Gegner mich schon fast auf seinem Rücken hat? Wie kann ich reagieren?

Immer wieder wies er bei seinen Ausführungen zu den einzelnen Techniken darauf hin, das wir dabei nicht den Fokus auf die Technik legen sollten. Vielmehr war es ihm wichtig, das wir in jeder Bewegung unsere Struktur und unseren „Frame“ aufrecht erhalten.

Durch diesen klaren und strukturierten Aufbau war es für alle Teilnehmer leicht dem Unterricht trotz der Komplexität des Themas bis zum Schluss folgen zu können.

Wie oben schon erwähnt unterstrich Tim Cartmell den praktischen Teil mit sehr interessanten Ausführungen zur Theorie. Immer wieder zeigte er auch auf wo die gezeigten Anwendungen in der Theorie in den Formen des Bagua Zhang, TaiJi oder anderen Kampfkünsten zu finden sind.

Irgend jemand hat einmal gesagt, das MMA das beste war, was den Kampfkünsten widerfahren ist. Sicherlich hat MMA sehr viele Fragen zur Anwendbarkeit einzelner Techniken gestellt.

Für mich sind es aber eben diese Menschen wie Tim Cartmell, die durch Ihre jahrelange praktische Auseinandersetzung mit den Kampfkünsten heute in der Lage sind viele der chinesischen Begriffe und Konzepte für uns Richtig und Anwendbar zu übersetzen, das Beste was uns passieren konnte.

Carsten Stausberg will versuchen auch im nächsten Jahr wieder Tim Cartmell nach Deutschland einzuladen. Ich persönlich kann nur jedem Empfehlen an einem Seminar von ihm teil zu nehmen. Es lohnt sich ganz sicher.

Jedenfalls war dies die einhellige Meinung der 26 internationalen, weiblichen und männlichen Teilnehmer an diesem Seminar.

Mehr Infos zu weiteren Seminaren auf der Seite von Carsten Stausberg
http://www.yizongbagua.de/

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